Am 18.12.2020 wurde im Landesgesetzblatt für Oberösterreich die Raumordnungsgesetz-Novelle 2021 (LGBl 125/2020) kundgemacht. Die am 1. Jänner 2021 in Kraft tretende Novelle bringt insbesondere folgende Änderungen des Oö. Raumordnungsgesetzes 1994 (Oö. ROG 1994):
Planverfahren für Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne
Im Bereich der örtlichen Raumplanung wird der Planungshorizont für Örtliche Entwicklungskonzepte von 10 auf 15 Jahre erweitert, jener für den Flächenwidmungsteil von 5 auf 7,5 Jahre. Flächenwidmungspläne sind nun alle 15 Jahre (statt bisher 10 Jahre) grundlegend zu überprüfen; innerhalb dieses Zeitraums ist der Flächenwidmungsteil zumindest einmal zu überarbeiten (oder neu kundzumachen).
Die Planungsabsicht ist nur noch auf der Website der Gemeinde kundzumachen. Eine Kundmachung im amtlichen Mitteilungsblatt der Gemeinde ist nicht mehr erforderlich. In Bezug auf Bebauungspläne entfällt das Kundmachungserfordernis für Planungsabsichten überhaupt; das (im Verfahren nachgelagerte) Planauflageverfahren gilt zwar weiterhin auch für Bebauungspläne, kann künftig aber – statt durch Veröffentlichung auf der Website der Gemeinde – auch (ausschließlich) durch Anschlag in den betroffenen Häusern erfolgen. Für durch Bebauungsplanänderungen potentiell beeinträchtigte Nachbarn ergibt sich daraus ein erhebliches Informationsdefizit.
Inhaltlich wird im Zusammenhang mit der Änderung von Flächenwidmungsplänen und Bebauungsplänen die bisherige Voraussetzung, wonach durch eine solche Änderung Interessen Dritter „nicht verletzt“ werden dürften, dahingehend eingeschränkt, dass auf solche Interessen lediglich noch "möglichst Rücksicht zu nehmen" ist. Diese Änderung begründet für beeinträchtigte Grundeigentümer und Nachbarn eine wesentliche Verschlechterung.
(Doch) Keine Erweiterung der Vertragsraumordnung
Im Bereich der Vertragsraumordnung ist die Erweiterung der vertraglichen Möglichkeiten der Gemeinden ausgeblieben. Der Begutachtungsentwurf hatte noch vorgesehen, dass es den Gemeinden im Rahmen der Vertragsraumordnung möglich sein sollte, Vereinbarungen mit den Grundeigentümern nicht mehr nur zur Sicherung des förderbaren mehrgeschoßigen Wohnbaus, sondern nunmehr auch für darüber hinausgehende Nutzungen zu treffen.
Neukonzeption der Örtlichen Entwicklungskonzepte (ÖEK)
Das ÖEK wird neu konzipiert. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll beim ÖEK (welches sich in der Praxis zu einem verkleinerten Flächenwidmungsteil entwickelt habe) wieder die strategische Intention mit grundsätzlichen und abstrakten Aussagen zur Gemeindeentwicklung im Vordergrund stehen. Durch eine stärkere Abstrahierung und den Entfall der Festlegung von Funktionen soll eine größere Bestandskraft erzielt werden (und dadurch auch eine – verwaltungsentlastende – Reduktion von Änderungserfordernissen).
Der gesetzliche Mindestinhalt gliederte sich bisher in ein Baulandkonzept, ein Verkehrskonzept und ein Grünlandkonzept. Künftig gliedert sich das ÖEK in eine Planung der weiteren Siedlungsentwicklung (Zonierung: prioritäre Siedlungsschwerpunkte, ergänzende Siedlungsschwerpunkte, Abrundungs- und Auffüllungsbereiche), darüber hinausgehende betriebliche bzw. sonstige Baulandentwicklungen (z.B. Sonderfunktionen), die Frei- und Grünraumplanungen, die Verkehrsplanungen und die technische und soziale Infrastruktur. Außerhalb der definierten Siedlungsentwicklungs-Zonen soll eine Siedlungsentwicklung zur Vermeidung einer weiteren Zersiedelung nicht möglich sein.
Die wesentlichen Elemente der Gemeindeplanung sollen in einer Plandarstellung abgebildet werden. Ergänzende textliche Festlegungen sollen lediglich noch im unbedingt erforderlichen Ausmaß erfolgen.
Besondere Entwicklungsschwerpunkte können in einem Detailplan als Ausschnitt des Entwicklungsplans dargestellt werden. Das vereinfachte Verfahren in § 36 Abs 4 Oö. ROG 1994 zur Änderung des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes mit Entfall des Gemeinderat-Beschlusses und des Stellungnahme-Verfahrens gilt künftig bei Übereinstimmung mit einem solchen Detailplan.
Auf Grundlage der alten Rechtslage erlassene ÖEK behalten ihre Geltung bis zur Erlassung eines ÖEK auf Grundlage der neuen Rechtslage. Gleiches gilt für ÖEK, die bis zum Ablauf des 30.06.2021 noch beschlossen werden. Für Änderungen solcher ÖEK bis 30.06.2021 ist weiterhin die alte Rechtslage maßgeblich. Fraglich ist, ob sich diese Übergangsregelung auch auf die materiellen Änderungen der Novelle (z.B. in Bezug auf die Widmungskategorien) bezieht. Mit Ablauf des 31.12.2032 sind an solchen ÖEK jedenfalls keine Änderungen mehr zulässig.
Bauland
In Bezug auf die Widmung „Wohngebiet“ ist eine wesentliche Änderung ausgeblieben: Der Begutachtungsentwurf hatte noch vorgesehen, das Erfordernis des dauernden Wohnbedarfes grundsätzlich fallen zu lassen (sodass es gegebenenfalls spezifisch festzulegen wäre), um klarzustellen, dass auch ein bloß vorübergehender Wohnbedarf im Wohngebiet zulässig ist. Die Änderung fand aber nicht den Weg in den finalen Gesetzesentwurf.
Für die Widmung "Bauland" wird eine neue Kategorie "Sozialer Wohnbau" geschaffen. Vorbild für diese Regelung sind die bisher im § 22 Abs 1 Oö. ROG 1994 enthaltenen Regelungen für den förderbaren, mehrgeschoßigen Wohnbau bzw. Gebäude in verdichteter Flachbauweise. Nunmehr ist aber die bloße "Förderbarkeit" nicht länger ausreichend; auf diesen Flächen können ausschließlich tatsächlich geförderte Projekte umgesetzt werden.
Für Betriebswohnungen werden die Möglichkeiten der Errichtung im Betriebsbaugebiet erweitert und Zu- und Umbauten sowie von (auch größeren) Renovierungen zur Schaffung von zeitgemäßem Wohnraum für den Eigenbedarf des Betreibers bzw. des Übergebers (wobei die Betriebszugehörigkeit bei der Betriebsübergaben nicht verloren geht) ohne Prüfung der Erforderlichkeit für zulässig erklärt.
Im Bereich der Sonderwidmungen werden für Gebiete für Geschäftsbauten zwei Maßnahmen zur Eindämmung der Flächenversiegelung gesetzt:
- Zum einen wird eine verpflichtende Dreigeschoßigkeit für Geschäftsbauten mit Gesamtverkaufsflächen von mehr als 800 m² festgelegt, sofern nicht der Flächenwidmungsteil Abweichendes festlegt. Dieser Vorgabe kann auch durch Festlegung einer geschoßweisen Widmung oder einer – künftig möglichen – kombinierten Widmung entsprochen werden (z.B. in Kombination mit Wohn- und Büroflächen). Es stellt sich die Frage, ob das Erfordernis der Dreigeschoßigkeit in allen Konstellationen (z.B. im ländlichen Raum, für bestimmte Branchen etc.) sachgerecht und auch umsetzbar ist.
- Zum anderen werden KFZ-Stellplätze auf Freiflächen (nicht aber z.B. in Tiefgaragen) zahlenmäßig begrenzt. Solche Stellplätze sind zudem (als Umgehungsschutz) ausschließlich im Gebiet mit Widmung für Geschäftsbauten zulässig.
Die neuen Regelungen gelten nicht für bereits bestehende Geschäftsbauten samt künftiger Zu- und Umbauten, solange damit keine über eine Flächenerhöhung hinausgehende Änderung der Flächenwidmung verbunden ist. Der Umfang der Ausnahmeregelung für künftige Zu- und Umbauten geht aus dem Gesetzeswortlaut leider nicht eindeutig hervor.
Es ist davon auszugehen, dass diese gravierenden Planungsmaßnahmen durch betroffene Grundeigentümer an den Verfassungsgerichtshof zur Prüfung ihrer Verfassungsmäßigung (insbesondere ihrer Grundrechtskonformität) herangetragen werden.
Die (auf Grund des gesonderten Widmungserfordernisses für Verkaufsflächen über 300 m² nicht mehr bedeutsame) "Zusammenzählregel" für Geschäftsbautenin Einkaufs- und Fachmarktzentren entfällt.
Neu geschaffen wird eine Verordnungsermächtigung zu Gunsten der Landesregierung zur Festlegung näherer Regelungen über die Ausgestaltung von Geschäftsgebieten.
Im Bereich der Sondergebiete des Baulands erfolgt zur Bekämpfung von Widmungsmissbräuchen eine nähere Definition des "Tourismusbetriebs" (welche kraft Vermutungsregel insbesondere an die Tourismusabgabenpflicht als "Indikator" anknüpft).
Anliegerleistungen
Zum Aufschließungsbeitrag im Bauland wird – in Reaktion auf Oö. LVwG 29.06.2018, LVwG-151422/7/R/K/JK-151423/2 – klargestellt, dass es auch dann zur Vorschreibung kommt, wenn sich die Flächen im Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung nicht zur Gänze mit den Grundstücksgrenzen im Sinne des § 5 Abs 5 Oö. BauO 1994 decken.
In Bezug auf den Erhaltungsbeitrag für Abwasserentsorgungsanlagen und Wasserversorgungsanlagen werden die Gemeinden ermächtigt, durch Verordnung über die in § 28 Abs 3 Oö. ROG 1994 festgelegten Beträge hinaus den Erhaltungsbeitrag jeweils bis zum Doppelten anzuheben, sofern dies zur Deckung der tatsächlich anfallenden Erhaltungskosten bzw. aus Gründen der Baulandmobilisierung erforderlich ist. Den Gemeinden soll also mit dem Erhaltungsbeitrag ein (über die bloße Kostendeckung hinausgehendes!) Steuerungsinstrument an die Hand gegeben werden, um sich zumindest teilweise von den Kostenbelastungen durch unbebautes Bauland zu entlasten und die Eigentümer von Bauland zur Bebauung zu motivieren bzw. um unbebautes Bauland für tatsächliche Bauinteressenten zu mobilisieren. Die mit Verordnung jeweils konkret festgelegte Höhe des Erhaltungsbeitrages unterliegt freilich der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof.
Die Erstattungspflicht zu Gunsten des Liegenschaftseigentümers bei Rückwidmung entfällt.
Grünland
Die Planzeichenverordnung kannte bereits bisher die „Sternchensignatur“ für bestehende Wohngebäude im Grünland. Für solche – baurechtlich bewilligten – Gebäude im Grünland wird nun (aus Transparenzgründen) im ROG 1994 selbst die Möglichkeit einer Ausweisung als „+Signatur“ geschaffen, deren Fläche dann als Dorfgebiet gilt. Neu tritt die (vom Gesetzgeber als „Klarstellung“ bezeichnete) Regelung hinzu, dass die Sternchenausweisung ausscheidet, wenn ein Gebäude als land- und forstwirtschaftliches Gebäude baurechtlich bewilligt wurde.
In Bezug auf Grünlandwidmungen werden insbesondere die Regelungen über zulässige Nachnutzungen umgestaltet. Die Nachnutzung land- und forstwirtschaftlicher Gebäude wird auf die Hofstelle und deren unmittelbaren Nahbereich beschränkt; zusätzlich wird die Voraussetzung eines mindestens 10-jährigen rechtswirksamen baubehördlichen Konsenses aufgestellt. Zubauten und die Herstellung befestigter Freiflächen werden neu geregelt. Für sonstige Widmungen im Grünland (z.B. Flächen für land-und forstwirtschaftliche Betriebe mit nicht herkömmlichen Produktions-und Betriebsformen) sowie – ab einer bestimmten Größe auch – für wohngebietsnahe Stallungen zur Haltung oder Aufzucht landwirtschaftlicher Nutztiere wird festgelegt, dass eine Nachnutzung unzulässig ist.
Weiters wird die Freistellung von ergänzenden infrastrukturellen Bauwerken und Anlagen auf den unmittelbaren Nahbereich des land-und forstwirtschaftlichen Hauptgebäudes beschränkt.
Neu geschaffen wird eine Verordnungsermächtigung zu Gunsten der Landesregierung zur Festlegung näherer Bestimmungen über die Grünland-Nutzung sowie von Regelungen über zulässige Nachnutzungen.
Schlussbemerkung
Die örtliche Raumplanung ist ein zentrales, in den Händen der Gemeinden liegendes Planungsinstrument. Das Gesetz und auch die Rechtsprechung stellen an sie verfahrensmäßig und inhaltlich hohe Anforderungen. Insbesondere im Bereich der Örtlichen Entwicklungskonzepte bringt die Novelle grundlegende Änderungen, welche Gemeinden bei künftigen Neuerlassungen zu beachten haben.
Für die Rechtsunterworfenen enthält die örtliche Raumordnung (samt Bebauungsplänen) mitunter weitgehende Detailfestlegungen, deren Prüfung und Abwägung sich dann von der Ebene des baubehördlichen Verfahrens auf jene des Verordnungsverfahrens über den Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan verschiebt. Auf dieser Ebene besitzen die Betroffenen aber kaum Verfahrensrechte und werden diese Rechte mit der vorliegenden Novelle noch weiter zurückgedrängt.
Zum Zwecke der Eindämmung der Flächenversiegelung (Grundsatz der Sparsamkeit der Grundinanspruchnahme) bringt die Novelle mehrere durchaus als „scharf“ zu bezeichnende Regelungen (z.B. für Geschäftsbauten oder zur Erhöhung des Erhaltungsbeitrages), deren Verfassungskonformität der Verfassungsgerichtshof mit Sicherheit zu prüfen haben wird.
Sollten Sie Fragen zur Novelle des ROG 1994 oder zu raumordnungsrechtlichen Fragen im Allgemeinen haben, stehen Ihnen unsere Experten für Immobilienrecht und Öffentliches Recht (Verwaltungsrecht) gerne zur Verfügung.